Was zusammen wächst, das gehört zusammen:
Dieses Motto könnte kaum besser auf Giacomo passen, den Kastanienbauern aus San Zeno, der sein Leben dem Land und den Kastanienbäumen gewidmet hat. Auf einem sonnigen Hang des Monte Baldo lebt der 74-jährige Giacomo noch heute in dem kleinen Steinhaus, das ihm und seiner Familie seit Generationen gehört. Er ist ein Mann, der nicht nur die Landschaft, sondern auch das Herz dieser Region prägt – ein lebendiger Hüter der Traditionen und des Wissens, das ūber Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Für Giacomo ist der Kastanienbaum weit mehr als ein Baum; er ist ein Symbol fūr Heimat, für das Überleben und für das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur.
An einem goldenen Herbsttag treffe ich Giacomo in seinem Garten, der mit Kastanien und herbstlichen Blättern bedeckt ist. Er empfängt mich mit einem kräftigen Händedruck, seine Hände rau und stark vom Leben im Freien. "Jeder Baum hier ist wie ein Freund," sagt er mit einem warmen Lächeln, das in seinen wachen Augen funkelt. "Ich kenne sie alle, weiß, wie alt sie sind, wann sie Früchte tragen und wie ich sie pflegen muss." Giacomo erzählt mir, wie er als Kind an der Seite seines Vaters gelernt hat, die Kastanienhaine zu bewirtschaften. Damals gab es keine Maschinen; alles geschah von Hand, mit Werkzeugen, die oft schon von seinen Großeltern benutzt wurden.
Die Geschichten fließen nur so aus ihm heraus: Die Esel, die die Mulini-Pfade hinauf und hinab trotteten, beladen mit schweren Körben voller Kastanien, die geduldig geerntet und sortiert wurden. Die Abende, an denen sich die Dorfbewohner um das Feuer versammelten, die Früchte rösteten und alte Lieder sangen. „Früher,“ erzählt Giacomo, „war das Kastanienmehl unser Brot. Es war nicht nur ein Lebensmittel, sondern etwas, das uns verbunden hat – miteinander und mit dem Land.“
Als er in den 1990er-Jahren zusammen mit einer Handvoll anderer Bauern die „Associazione del Marrone di San Zeno“ gründete, geschah dies aus einer tiefen Überzeugung: Die Kastanientradition musste bewahrt werden, nicht nur als wirtschaftliche Ressource, sondern als Kulturgut. Mit Stolz erzählt er, wie die Marrone di San Zeno 2003 die DOP-Auszeichnung erhielt, eine Anerkennung, die das jahrhundertealte Wissen und die harte Arbeit der Kastanienbauern würdigte. „Es geht nicht nur um die Früchte,“ sagt er, „sondern darum, das Land zu verstehen und zu respektieren.“
Das spiegelt sich in jeder seiner Bewegungen wider. Mit einem langen Stock in der Hand zeigt er mir, wie er die stacheligen Kastanienigel sanft von den Ästen klopft. Ein leises Lächeln huscht über sein Gesicht, als sie zu Boden fallen – ein Zeichen dafür, dass die Ernte begonnen hat. Giacomo geht in die Hocke, hebt die stachelige Frucht mit geübter Hand auf und legt sie in seinen geflochtenen Korb. "Das mache ich schon mein ganzes Leben lang," sagt er, ohne eine Spur von Müdigkeit in der Stimme. „Es ist etwas, das man im Herzen trägt.“
Giacomo spricht mit einer tiefen Verbundenheit zur Natur, die in jeder seiner Geschichten mitschwingt. Für ihn ist die Kastanie kein Produkt, sondern eine Lebenseinstellung. Seine Augen leuchten, wenn er davon erzählt, wie das Kastanienmehl früher der Mittelpunkt jeder Mahlzeit war und wie die Kastanienfeste die Gemeinschaft vereinten.
Er erinnert sich an die Abende, an denen er als Junge vor dem Kamin saß, während seine Mutter das Mehl zu einer Polenta verarbeitete und Geschichten von den alten Zeiten erzählte. „Das Kastanienfest ist mehr als nur ein Markt,“ sagt er. „Es ist ein Fest des Lebens und der Erinnerung.“
Heute sieht Giacomo in seinen Kastanienhainen nicht nur die Bäume, sondern ein Vermächtnis, das er stolz an die nächste Generation weitergeben möchte. Wenn er im Herbst die ersten Kastanien zum Fest bringt und die Menschen auf dem Markt ihm zunicken und lächeln, spürt er: Seine Arbeit, sein Leben und die alten Bäume sind hier genau am richtigen Platz.
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